Rede zum Neujahrsempfang 2024: Zwischen grenzenlosem Wachstum und wachsenden Grenzen - Gedanken zur Jahreswende -
Es gilt das gesprochene Wort.
Sie haben heute schon eine deutliche Grenze überschritten. Und das ist gut so. Ich freue mich, dass Sie die Grenze Ihrer Wohnung, Ihres Hauses, Ihres Grundstücks überschritten haben, und meiner Einladung gefolgt sind.
Herzlich willkommen zum Neujahrsempfang 2024 hier im Bürgerhaus in Tutschfelden. Manche haben ja sogar die Ortsgrenze oder die Landkreisgrenze überschritten.
Territoriale Grenzen
Wir überschreiten ja ständig Grenzen, zumindest territoriale Grenzen. Meist ist uns dies gar nicht bewusst. Weil sie bestehen, aber nicht sichtbar sind.
War wäre, wenn an jedem Grundstück, an jedem Grenzstein, ein Grenzposten stünde, eine Mauer gebaut, ein Zaun gezogen wäre. Eine Kleinstaaterei wie wir sie aus der Geschichte kennen. Es ist eine Errungenschaft Europas, sich zwischen den Ländern frei bewegen zu können – obwohl die Grenzen ja nicht abgeschafft wurden. Wir haben einen neuen Umgang damit gefunden.
Und zugleich spüren wir auch – spätestens seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, dass die Vorstellung von einer globalisierten Welt, in der man kulturell und wirtschaftlich immer näher zusammenrückt, so nicht verwirklicht wird.
Die wechselseitigen Abhängigkeiten haben machtpolitische Folgen. Nationalistische Interessen und die unberechenbare Macht egozentrischer Regierungen lassen schnell den Wunsch nach grenzübergreifender Zusammenarbeit auf Augenhöhe wie Seifenplasen zerplatzen.
Gerade deshalb soll es sich um diese zentrale Fragestellung heute Abend aus verschiedenen Blickrichtungen drehen: Wie gehen wir mit Grenzen um? Mit Staatsgrenzen, mit menschlichen Grenzen, mit begrenzten Ressourcen….Welche Grenzen gilt es zu achten, welche zu verändern, welche zu beseitigen?
Wie geht es Ihnen denn, sehr geehrte Damen und Herren, mit dem Wort „Grenze“? Ist es für Sie eher positiv besetzt oder eher negativ geprägt?
Menschliche Grenzen und Möglichkeiten
Wir Menschen sind von Natur aus ja begrenzte Wesen: Unser Leben ist endlich, unsere Kräfte begrenzt, unsere Aufnahmefähigkeit eingeschränkt. Wir nehmen unsere Umwelt nie umfassend wahr – schon allein weil unser Sinnesvermögen begrenzt ist: Beim Hören, Sehen, Riechen, Fühlen usw. Und zugleich verschieben wir von klein auf unsere Grenzen. Das kleine Kind weitet täglich seinen Radius aus, entdeckt Neues. Es verschiebt seine Grenzen. Und das ist wichtig. Bis es zum Teenager wird. Spätestens dann müssen auch ganz bewusst Grenzen gesetzt werden. Aber die Frage ist: Wie? In welcher Tonart? Die verschiedenen Erziehungsstile und pädagogischen Konzepte sind ein sprechendes Beispiel für die Vielfalt.
Zeitliche Grenzen
Es lohnt sich im Alltag immer auch, einen Blick über das Hier und Jetzt hinaus zu werfen, die Grenzen der Gegenwart zu überschreiten und zu fragen: Welche Auswirkungen hat mein Handeln, hat meine Entscheidung auf die Zukunft, auf die kommende Generation?
Und auch der Blick in die Geschichte hilft deutlich weiter. Er kann zeigen, welchen Wohlstand wir heute genießen, welche Entwicklungen die Jahrhunderte vor uns geprägt haben und dass manche Fragestellungen und Themen immer wieder kehren. Werfen gemeinsam einen Blick in die Herbolzheimer Zeitung von vor 50 Jahren. Welche Themen und Schlagzeilen gab es damals?
Die Grenzen der eigenen Perspektive überwinden
Liebe Gäste, sehr geehrte Damen und Herren, verlassen wir immer wieder unsere Komfortzone und lassen uns auf andere Blickwinkel ein. Gerade auch bei Diskussionen wird dies deutlich. Wir haben ja meist eine ganz bestimmte Perspektive auf eine Fragestellung. Geprägt durch unsere bisherigen Erfahrungen oder unser berufliches Wissen. Ein Jurist blickt anders auf einen Sachverhalt als ein Sozialarbeiter. Ein Mediziner sieht den Menschen anders als ein Psychotherapeut.
Der Autofahrer sieht das Parken anders als der Gemeindevollzugsdienst. Das Landratsamt schätzt Themen anders ein als die Kommunen. Ein Arbeitgeber hat eine andere Sicht auf die Arbeitswelt als ein Arbeitnehmer. Der Naturschützer, der Biologe, der Förster, der Schreiner, der Sportler schaut jeweils anders auf den Wald.
Mut zum interdisziplinären Austausch und zum Blickwinkel des anderen Deshalb ist die „grenzüberschreitende“ Zusammenarbeit so wichtig, der interdisziplinäre Austausch, die Bereitschaft, den Blick des anderen einzunehmen, die demokratische Diskussionskultur, die unterschiedliche Meinungen anhört, zulässt und aus allem gemeinsam die beste Lösung generiert.
Vielleicht kennen Sie die folgende Geschichte:
“Was willst du den mal werden, wenn du groß bist?“
„Ich werde Müllmann!“ kommt postwendend die Antwort des fünfjährigen Max.
Seine Patentante Susanne, die alles, aber nicht diesen Berufswunsch erwartet hat, bohrt nach: „Aber Max, warum das denn?“
„Na, ist doch klar! Dann muss ich nur montags arbeiten!“
Aus der Sicht von Max ist sein Berufswunsch absolut logisch: Die Müllmänner kommen immer montags gleich um 7.00 Uhr. Sie fahren mit einem riesengroßen Wagen vor, der blinkt und ganz viel Lärm macht, was Max klasse findet – und sie machen das einmal pro Woche.
Wahrnehmung wird durch die individuelle Perspektive und die Bedeutungszuweisung geformt. Wenn Max sieht, dass das Müllauto nur einmal pro Woche kommt und deshalb der Job bei der Müllabfuhr ein echter Traumjob ist, dann ist das für ihn wahr. Er kann es ja nicht „falsch-nehmen“ im Gegensatz zum „wahr-nehmen“.
Realität als Chance zur Gestaltung, statt Bedrohung der eigenen Komfortzone
Das gilt auch für Ihre und meine Lebensrealität. Die Welt ist in unseren je eigenen Köpfen. Und sie ist abhängig von unserer Erfahrung und den eigenen Interessen, die wiederum unsere Aufmerksamkeit steuern. Und diese Erfahrungen entscheiden, ob wir etwa nur pessimistisch auf die Welt schauen oder auch zuversichtlich in den Alltag blicken.
Von Winston Churchill stammt der Satz: Ein Optimist sieht in jeder Schwierigkeit eine Gelegenheit, zu gestalten. Der Pessimist sieht in jeder Gelegenheit zu gestalten, eine Schwierigkeit.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich würde mir mehr Menschen wünschen, die die aktuellen Herausforderungen auch als Chance zur Gestaltung sehen; als Möglichkeit, sich selbst einzubringen. Wir sind gar nicht so ohnmächtig, wie wir das oft behaupten. Wir könnten der Bürokratie deutlich Grenzen setzen und sie einschränken, wenn dies politisch gewollt ist. Wir könnten zügiger Entscheidungen treffen, wenn wir den Mut haben, Verantwortung zu übernehmen. Wir brauchen deutlich mehr Menschen, die selbst anpacken und nach Lösungen suchen, als solche, die uns erklären, was alles nicht geht und nicht möglich ist. Es braucht mehr weltoffene Grenzgänger als engstirnige Grenzwächter.
Die meisten Grenzen sind ja von uns selbst gesetzt. Allzu oft liegen diese Grenzen unseres Handelns in unseren eigenen Köpfen. Veränderung ist dann nicht möglich, weil wir uns selbst und anderen sagen: Das geht nicht! Das war schon immer so! Daran kann man nichts ändern! Das haben andere entschieden. Ich möchte Sie ermutigen, dies immer wieder zu hinterfragen. Uns selbst auf die Probe stellen, ob etwas tatsächlich nicht möglich ist, oder ob es eher unsere eigene Bequemlichkeit ist. Und zugleich gilt es im zwischenmenschlichen Umgang Grenzen zu beachten, und Wertschätzung für den Mitmenschen zu wahren. Gewalt ist kein Mittel der Durchsetzung von eigenen Interessen.
Die deutschsprachige Band Dota rüttelt uns mit dem Lied „Grenzen“ wach. Im Text heißt es: „Wer ist drinnen wer ist draußen Ich male eine Linie, du darfst nicht vorbei Da trifft Land auf Land Da trifft Haut auf Blei Wo ist oben, wo ist unten? Wer könnte, wer wollte das ändern? Was geschieht in den Ländern
An ihren Rändern
Es gibt Frontex und Poschpex
Zäune, Waffen, Flüchtlingsabwehrkonferenzen
Das Mittelmeer wird ein Massengrab
Es gibt Grenzen
Sie führen zu Nationalismus mit seinen bekloppten Konsequenzen
Man entrechtet Leute nur weil sie von irgendwoher kamen
…….
Ich melde mich ab
Ich will einen Pass wo Erdenbewohner drinn' steht
Einfach nur Erdenbewohner
Sag mir bitte wohin man da geht
Ich melde mich ab
Ich melde mich um
Es kann doch so schwierig nicht sein
Schreibt einfach nur Erdenbewohner da rein
Wir haben es ein paar tausend Jahre mit Grenzen versucht
Es gab viele Tote
Nennt mich naiv
Es ist mir egal aber ich finde es reicht
Ich suche das Land in dem jeder den anderen in Staatsunabhangigkeit gleicht
Es kann doch so schwierig nicht sein
Schreibt einfach nur Erdenbewohner da rein
Ich schließe die Tür und genieße die Stille
Ich grenze mich ab, dass muss sein
Jeder hat seine Grenze die ihn umgibt
Sie schließt ihn schützend ein
Jeder Übergriff, jeder Schlag Verletzt ein Menschenrecht
Warum schützt man die Grenzen der Staaten so gut und die Grenzen der Menschen so schlecht?
Sie müssen nicht zwischen den Ländern verlaufen aber zwischen den Menschen
Nicht aus Stacheldraht sollen sie sein sondern aus Respekt.
Wir können eingrenzen und ausgrenzen, angrenzen und entgrenzen, abgrenzen, begrenzen und aneinandergrenzen. So manches ist grenzwertig. Wir kennen die Belastungsgrenze, die Einkommensgrenze, die Außengrenze, die Baumgrenze, die Beitragsbemessungsgrenze, die Wachstumsgrenze und viele Grenzen mehr.
Grenzen braucht es, um Unterschiede deutlich zu machen. Wenn dieser Raum keine Grenzen hätte, wenn er unendlich wäre, würden wir uns kaum wohl fühlen. Wir wüssten nicht, wo drinnen und draußen ist.
Grenzen können beruhigen oder beunruhigen. Sie können Gestalt und Halt geben oder einengen. Es scheint also nicht die Grenze selbst zu sein, sondern der Umgang mit den Grenzen, der sich lohnt näher betrachtet zu werden.
Rede zur Einbringung des Haushaltes 2023
Es gilt das gesprochene Wort.
Es ist der sechste Haushalt, den ich nun in meiner Amtszeit einbringe. Drei davon waren und sind von ganz besonderen Herausforderungen geprägt. Oder um es deutlicher zu sagen: Von Krisen geformt und Ungewissheiten durchdrungen. Das Wort Krise prägt nun seit längerem schon unseren Alltag. Es leitet sich vom griechischen „krisis“ ab und bedeutet ursprünglich so viel wie „beurteilen, entscheiden, eine Meinung bilden“. Genau darum geht es doch.
Denn gerade die aktuelle Situation erfordert es in besonderem Maß von uns, dass wir die Fakten nüchtern beurteilen, uns eine ausgereifte Meinung bilden und dann auch die notwendigen Entscheidungen treffen. Zur nüchternen Betrachtung der Gegenwart gehört es auch, dass wir uns von der Vorstellung eines immer weiterwachsenden Wohlstands verabschieden. Das hat zuallererst noch nichts mit dem Krieg in der Ukraine zu tun, sondern mit der Endlichkeit der Rohstoffe, mit einem Wohlstand, der in weiten Teilen auf der Ausbeutung von Ländern und Menschen in uns weit entlegenen Regionen und auf anderen Kontinenten beruht. Es gibt einen Raubbau an der Natur, der einen eklatanten Klimawandel nach sich zieht und auch Auslöser ist für diese hohe Zahl an Migration.
Dieses Thema ist uns nicht so präsent wie in den Jahren 2015 und 2016 – obwohl die Zahl der Menschen, die auf der Flucht sind und bei uns Asyl suchen, höher ist als in den damaligen Jahren. Wir werden auch in den kommenden Monaten gefordert sein, Menschen aufzunehmen und zu integrieren. Ja, ich darf nochmals festhalten: Unsere Zukunft ist geprägt von Ungewissheiten und Unwägbarkeiten und vor allem ist sie hochkomplex. Daher ist es auch ein Haushalt der Ungewissheiten, auf den wir uns einlassen.
Wo also anfangen, angesichts all der Herausforderungen?
Wo Schwerpunkte setzen in Anbetracht begrenzter finanzieller Mittel?
Von welchen finanziellen Mitteln sprechen wir überhaupt mit Blick auf das Jahr 2023?
Im Ergebnishaushalt planen wir mit Erträge von 31.959.000 € (VJ 28.965.800 €) sowie mit Aufwendungen in Höhe von 32.719.800 € (VJ 28.685.100 €). Das ordentliche Ergebnis beläuft sich somit auf eine Summe von -760.800 € (VJ + 280.700 €). Zum ersten Mal seit der Umstellung auf das neue kommunale Haushaltsrecht wird 2023 der Ergebnishaushalt nicht ausgeglichen sein.
In § 80 Absatz 2 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg ist geregelt, dass das Ergebnis aus den ordentlichen Erträgen und den ordentlichen Aufwendungen ausgeglichen werden soll. Dieser gesetzlichen Maßgabe kann im Jahr 2023 -Stand heute- somit keine Rechnung getragen werden. Zwar kann der Ergebnishaushalt aufgrund der Rücklagen aus den Haushaltsjahren 2020 und 2021 ausgeglichen werden, aber auch in den kommenden Jahren ist ein Ausgleich nur schwierig umsetzbar.
Warum? Allein schon aufgrund weiterer tariflich vereinbarten Personalkostensteigerungen, dringend notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen sowie die Abschreibungen, welche nach Fertigstellung der Großprojekte mit über 500.000 € im Jahr 2026 zu Buche schlagen werden.
Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen werden wir deshalb intensiv gefordert sein, uns nochmals nüchtern mit einzelnen Instandhaltungsmaßnahmen zu beschäftigen und uns mutig auf die dringendsten Maßnahmen zu einigen. Nach wie vor gibt es nicht nur einen Investitionsstau, sondern auch einen Sanierungsstau. In zahlreiche kommunale Gebäude wurde zu lange nicht oder zu wenig investiert.
Weiterhin sollten wir auch Einsparpotentiale nutzen bzw. die Aufwendungen einer kritischen Betrachtung unterwerfen. Denn im jetzt vorgelegten Entwurf sind alle Anträge eingearbeitet.
Im Finanzhaushalt, in welchem alle Ein- und Auszahlungen innerhalb des Haushaltsjahres geplant werden (es werden somit nur die Geldflüsse dargestellt – also zum Beispiel keine Abschreibungen) belaufen sich die Einzahlungen aus der laufenden Verwaltungstätigkeit auf eine Summe von 31.395.000 € (VJ 28.405.700) und die Auszahlungen aus der laufenden Verwaltungstätigkeit auf einen Betrag in Höhe 30.807.500 (VJ 26.895.000 €). Dies ergibt ein Zahlungsmittelüberschuss des Ergebnishaushaltes in Höhe von 587.500 € (VJ 1.510.700 €). Einzahlungen im Rahmen der Investitionstätigkeiten sind mit 5.037.700 €, Auszahlungen mit 7.855.200 € geplant. 1 Million €uro sind als Kreditaufnahme in den Haushalt 2023 eingestellt. Letztendlich nehmen die liquiden Mittel im Gesamthaushalt im Haushaltsjahr um 1.509.100 € ab.
In den kommenden Jahren wird bei der Umsetzung aller geplanten Projekte insgesamt eine zweistellige Kreditaufnahme unumgänglich sein. Aber ein Sparen am dringend notwendigem Ausbau und Modernisierung von Infrastruktur ist letztlich auch kein wahres Sparen, sondern ein Aufschieben, eine Verschlimmbesserung.
Doch blicken wir gemeinsam nach vorne und gestalten verantwortungsvoll die Zukunft von Herbolzheim mit den Ortsteilen. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass wir auf einem sehr guten Weg sind und wir keinen Grund haben zu resignieren. Denn wenn alle pessimistisch denken, wirkt der Realist wie ein Optimist. In diesem Sinn wollen wir optimistisch an die Haushaltsberatungen herangehen, weil wir die Situation realistisch einschätzen.
Wir waren bisher schon gut beraten, intensiv in die frühkindliche Bildung zu investieren und neue Kitaplätze zu schaffen. Damit sind wir aus dem reinen Reagieren zum Agieren und zum Gestalten gekommen. Wir können derzeit und in absehbarerer Zukunft ausreichend Plätze anbieten. Ich möchte erneut dafür werben, nicht mehr von Betreuungseinrichtungen zu sprechen, sondern von Bildungseinrichtungen und Lebensorten für Kinder.
Die Zeit der außerfamiliären Begleitung nimmt stetig zu. Wir sollten diesen Weg konsequent fortsetzen: mit der zweiten Gruppe im Wald und dem Angebot des Naturkindergartens auf dem Bauernhof. Unsere Kinder sind unserer Zukunft.
Nicht minder gilt unser Einsatz dem weiten Feld des Klima- und Umweltschutzes, gerade auch des Ausbaus der erneuerbaren Energien. Erneuerbare Energien sind weit mehr als eine nachhaltige Investition, sie sind auch eine Art Unabhängigkeitserklärung gegenüber autoritären Regimen und Unrechtsstaaten. Deshalb tun wir gut daran, als Stadt mit bestem Beispiel voranzugehen und zugleich auch Anreize und Förderprogramme zu schaffen, damit möglichst viele Bürgerinnen und Bürger sich ebenfalls engagieren. Die Themen Biotopverbundplanung und kommunale Wärmeversorgung sind zentrale Bausteine für eine lebenswerte Stadt.
Ein Beitrag zum Umweltschutz ist sicherlich auch das noch weiter zu beratende Mobilitätskonzept und vor allem dessen konkrete Umsetzung. Auch das wird uns Geld kosten. Aber der Nutzen ist entscheidend: Fuß- und Radverkehr sollte für Kurzstrecken die Regel werden und entsprechend Vorrang bekommen, ebenso die Verlässlichkeit des öffentlichen Nahverkehrs. Das ist nicht zuletzt auch ein wichtiger Beitrag zur Lebensqualität, zur Verbesserung der Aufenthaltsdauer.
Bevor ich einige unserer größten Investitionen für das kommende Jahr skizziere, möchte ich kurz einen kritischen Blick insgesamt auf den Prozess der kommunalen Haushaltsplanung werfen. Machen wir uns bewusst: Wir sind rechtlich dazu verpflichtet, den Haushalt für das kommende Jahr noch in diesem Kalenderjahr zu verabschieden. Das hat auch mit Fristen zu tun wie etwa mit der zur Beantragung von Mitteln aus dem Ausgleichstock, die Ende Januar liegen. Mit diesem Zeitplan ist meist auch verbunden, dass die konkreten Zahlen für Zuweisungen und Umlagen aus Land und Bund noch nicht vorliegen, also vor allem Schätzungen und Hochrechnungen sind. Richtig umsetzen dürfen wir den Haushalt erst, wenn er genehmigt ist vom Landratsamt, also erst im Januar/Februar Frühjahr.
Damit bleibt nicht ein ganzes, sondern eher ein dreiviertel Jahr zu Verfügung. Wenn dann erst die Ausschreibungen beginnen können, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass so manche Projekte schlichtweg erst im Herbst oder gar nicht mehr zur Umsetzung kommen. Das trägt so manches Mal nicht gerade zu einer guten Stimmung bei und macht unser Handeln zusätzlich schwerfällig.
Umso wichtiger ist es, dass wir immer auch die mittel- und langfristigen Projekte und die dauerhaften Aufgaben im Blick behalten. Denn bei allen Neubauten sind auch die entsprechenden Abschreibungen zu leisten und zu finanzieren.
Werfen wir einen Blick auf die größten Investitionsmaßnahmen. Insgesamt planen wir im Haushaltsjahr 2023 Investitionen in Höhe von 7.855.200 €. Dabei entfallen etwa 950.000 € auf die weitere Umsetzung des Medienentwicklungsplans an den Schulen. Planungskosten in Höhe von 600.000 € für das neue Rettungszentrum und ergänzend dazu Planungskosten in Höhe von 300.000 € für die neuen Räumlichkeiten des DRK-Ortsvereins in der Friedrichstrasse, wo ja auch zusätzlich Wohnraum entstehen wird. Ebenso wollen wir die Planungen für die Sanierung und Erweiterung der Grundschule in Wagenstadt vorantreiben mit Mitteln in Höhe von 100.000 €. Nicht weniger liegt uns an den nächsten Schritten für eine neue Mehrzweckhalle in Bleichheim mit Mitteln in Höhe von 350.000 €. Denn dort wird nach Abbruch der alten Halle neuer Wohnraum entstehen und so auch Innenentwicklung möglich sein. Auch die grundlegende Sanierung von Straßen werden wir weiter umsetzen, um damit auch die unterirdischen Leitungen zu erneuern und zukunftsfähig zu machen.
An dieser Stelle möchte ich es nicht versäumen, schon jetzt einen Ausblick darauf zu geben, dass die Gebühren für Trinkwasser und Abwasser nicht so niedrig bleiben werden wie bisher. Trinkwasser ist wertvoll und die Aufbereitung von Abwasser ist aufwändig.
Auch die Erschließung des Gewerbeparks Nord soll im kommenden Jahr umgesetzt werden. Wir bieten damit zahlreichen Betrieben, Handwerkern und Unternehmern die Möglichkeit, sich anzusiedeln, Arbeitsplätze zu schaffen, sich zu erweitern und nicht zuletzt uns auch mit der jeweiligen Gewerbesteuer zu unterstützen, die eine zentrale Einnahme für unseren Haushalt darstellt. 2023 planen wir mit rund 5 Millionen €. Insgesamt gehen wir von 15 Millionen € Erträgen aus Steuern sowie zusätzlich 11,8 Millionen € an Zuwendungen, Zuweisungen und Umlagen aus. Damit ergeben sich ordentlich Erträge in Höhe von rund 32 Millionen €. Demgegenüber stehen ordentliche Aufwendungen von 32,7 Millionen €.
Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ hat in seiner Herbst-Prognose auf den ersten Blick erfreuliche Zahlen vorgestellt: Demnach können die Kommunen mit einer Steigerung ihrer Steuereinnahmen um 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr rechnen. Auch für die Länder prognostiziert der Arbeitskreis Steigerungen in Höhe von 4,9 Prozent. Der Bund kann demnach sogar mit Einnahmesteigerungen von 7,8 Prozent rechnen.
Doch die Ergebnisse der Steuerschätzung sind nur auf den ersten Blick erfreulich. Die gegenüber der Mai-Steuerschätzung höheren Steuereinnahmeerwartungen zeigen nur ein Zerrbild, der zu erwartenden Entwicklung der kommunalen Finanzen, da sie zu einem großen Teil durch die Inflation bedingt sind. Diese belastet aber die Kommunalhaushalte auf der Ausgabenseite viel mehr. Enorm steigende Energiekosten, immens steigende Baukosten und vermutlich auch stark steigende Personalkosten und Sozialausgaben der Kreise werden die erhöhten Steuereinnahmen deutlich übersteigen.
Zudem werden die Kommunalhaushalte auch durch die – bisher noch nicht in der Steuerschätzung berücksichtigten – Entlastungspakete des Bundes belastet werden. Allein für Baden-Württemberg taxiert das Finanz-ministerium diese voraussichtliche kommunale Belastung auf 1,7 Milliarden € beim Entlastungspaket III.
Das Maß der steigenden Ausgaben wird daher viel höher sein als das Maß der steigenden Einnahmen. Faktisch wird damit die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen geringer.
Sollte zudem die befürchtete Rezession eintreten, muss davon ausgegangen werden, dass die Steuereinnahmen letztlich nicht im erwarteten Maße fließen werden.
Insgesamt werden die Erträge aus den Schlüsselzuweisungen aufgrund der hohen Steuereinnahmen in den kommenden Jahren weiter abnehmen, gleichzeitig werden durch die gute Steuerkraft die Finanzausgleichsumlagen sowie die Kreisumlage einen weiteren Anstieg erfahren. Womit sich gerade das Ergebnis im Ergebnishaushalt weiter verschlechtern wird und ein Ausgleich ist in den zukünftigen Jahren nur unter enormen Anstrengungen möglich (heißt Aufwendungen kürzen, insbesondere die freiwilligen Ausgaben sowie neue Erträge zu generieren). Auch kann die Liquidität der Stadt bei der Umsetzung der geplanten Maßnahmen in Zukunft nur durch Kredite in zweistelliger Millionenhöhe gewährleistet werden.
Insofern ist der Gemeinderat und die Verwaltung gehalten, den Haushalt einer kritischen Betrachtung zu unterwerfen und Konsolidierungsmaßnahmen einzuleiten.
Neben dem Haushalt der Stadt wird weiterhin die Wirtschaftspläne für die Eigenbetriebe „Wasserversorgung „und „Abwasserbeseitigung“ eingebracht.
Thomas Gedemer
Bürgermeister
„Wir alle können unseren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten“ - Thomas Gedemer ruft die Menschen zu Solidarität und gegenseitiger Rücksichtnahme auf
26. November 2021
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
wohl kaum jemand von uns hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir in den Wochen vor Weihnachten erneut enorme Infektionszahlen haben werden – ja genau genommen die höchsten Zahlen seit Beginn der Pandemie. Wir befinden uns aktuell in der vierten Welle der Corona-Pandemie. Die Auslastung der Intensivstationen und die Belastung des medizinischen sowie pflegerischen Personals kommen an ihre Grenzen. Wir stehen auch in Baden-Württemberg vor einem Kollaps der intensivmedizinischen Versorgung. Hier gelangen Sie zur gesamten Rede.
In den vergangenen Tagen kam es auf die Absage des Weihnachtsmarktes durch die HuG zu ganz unterschiedlichen Reaktionen, insbesondere über die Formulierung zum Thema Impfen in der entsprechenden Pressemitteilung. Umso mehr ist es mir ein Anliegen – gerade angesichts der verschiedenen Meinungen – für einen respektvollen gegenseitigen Umgang zu werben. Denn meines Erachtens sollte vor allem Folgendes für uns alle – egal ob geimpft oder ungeimpft – im Vordergrund stehen: die Reflexion unseres eigenen täglichen Verhaltens und die konsequente Reduzierung von Kontakten.
Ich bitte Sie alle, vor allem in Sorge um die Schwachen und Kranken unter uns:
Halten wir Abstand und reduzieren wir unsere sozialen Kontakte auf das Notwendigste!
Beachten wir bei unumgänglichen Zusammenkünften und verantwortbaren Veranstaltungen die geltenden Regelungen, die Abstandsgebote und Hygienekonzepte. Vor allem eine regelmäßige und niedrigschwellige Selbsttestung erhöht die Sicherheit. Geben wir ganz besonders acht auf die Älteren und Schwächeren in unserer Gesellschaft, insbesondere beim Umgang in der Familie und in der Nachbarschaft.
Denken wir bei unserem täglichen Verhalten auch an die Kinder. Sie haben gemeinsam mit den Jugendlichen in den letzten Monaten enorme Einschnitte hinnehmen müssen – in Kita, Schule und in der Freizeit. Die Folgen davon zeigen sich in der täglichen Arbeit der Jugendpflege, der Schulsozialarbeit sowie der Jugendämter. Helfen wir Erwachsene durch einen vorbildlichen und verantwortungsvollen Umgang miteinander mit, gerade auch die Schulen und Kindergärten offenzuhalten.
In einem beeindruckenden Kraftakt stemmen die etablierten Strukturen der Ärzteschaft mit nachhaltiger Unterstützung des Landkreises und den Gemeinden die Erhöhung des Impftempos und zusätzlich wohnortnahe Impfangebote. Bei uns im Landkreis sind dies Impfzentren in Kenzingen und Waldkirch. Ältere Menschen und diejenigen, die frühzeitig geimpft wurden, benötigen nun zeitnah eine Booster-Impfung. Sprechen Sie mit Ihrer Hausärztin, Ihrem Hausarzt. Nutzen Sie die schon bestehenden Impfangebote und die, die in den nächsten Tagen und Wochen eingerichtet werden. Mehr dazu erfahren Sie auch auf der Homepage www.landkreis-emmendingen.de.
Impfen und Testen sind derzeit die zentralen Bausteine der Pandemiebekämpfung. Denn - obwohl wir zwischenzeitlich wissen, dass auch Geimpfte sich infizieren, das Virus weitertragen und bei Vorerkrankungen auch schwer erkranken können - ist diese Wahrscheinlichkeit nach aktuell herrschender Einschätzung um ein Vielfaches geringer als bei Menschen ohne Impfschutz. Gleichzeitig heißt dies aber auch für die Geimpften: wachsam zu sein, verantwortungsvoll zu handeln und sich zu testen.
Als Gesellschaft ist es gerade in dieser kritischen Phase der Pandemie unsere gemeinsame Verantwortung, dass jeder und jede seinen bzw. ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise leistet. Wir alle würden uns die Situation anders wünschen. Daher helfen gegenseitige Schuldzuweisungen nicht weiter. Im Gegenteil: Das blockiert und fordert unnötig Kräfte, die wir für einen verantwortungsvollen Umgang miteinander dringend brauchen.
Helfen wir uns gegenseitig, geben wir aufeinander Acht, bleiben wir vorsichtig und reduzieren wir unsere Kontakte. Dann sind die Chancen am größten, dass wir wieder zur „Normalität“ zurückkehren und mehr gemeinsam unternehmen können.
Thomas Gedemer, Bürgermeister
Einbringung des Haushalts 2022
Wer am 11.11 den Haushalt einbringt, der sollte zumindest auf gewisse zusätzliche Deutungen eingestellt sein, die dieses Datum mit sich bringen kann:
Da liegt zum einen der Bezug nah zum Beginn der närrischen Zeit. Dem kann man durchaus etwas Positives abgewinnen – irgendwie sind die Zeiten doch verrückt. Wir haben Infektionszahlen so hoch wie seit der ganzen Pandemie noch nicht und gehen dennoch sorgloser mit allem um als zu Beginn.
Wir haben mit dem Klimawandel eine der zentralsten und existenziellsten Herausforderungen der gesamten Menschheit und doch kann man sich in Glasgow kaum auf entscheidende Weichenstellungen einigen. Wir bekommen immer mehr Aufgaben von Bund und Land übertragen, aber erhalten dazu parallel nicht unbedingt die notwendige finanzielle Auslastung oder vielleicht eine Anschubfinanzierung, die uns dann vor allem die Folgekosten überlässt. Wir erhalten gesetzliche Vorgaben - wie etwa die Einführung der Ganztagsbetreuung an Grundschulen -, ohne vorher die Rahmenbedingungen geklärt zu haben – woher kommt das Personal, die Räume, das Geld.
Wir wollen die Mobilitätswende, bekommen aber den Ausbau der Bahn nicht hin und schieben das verbesserte Angebot an Buslinien mal vorerst für fünf Jahre auf.
Wir wollen den Bleichbach renaturieren und scheitern an unzähligen Vorschriften und Einwendungen beteiligter Behörden – obwohl doch scheinbar Natur- und Umweltschutz in Land und Bund einen so hohen Stellenwert haben.
Wir loben die kommunale Selbstverwaltung, erhalten aber immer mehr zweckgebundene finanzielle Mittel. Traut man uns zu wenig zu, das Geld dort einzusehen, wo es am sinnvollsten notwendig ist. Die Erwartungen an den Staat, an das Land und vor allem an die Kommunen steigen. Aber wir können nicht immer noch mehr Aufgaben übernehmen und Leistungen erbringen. Ja, es sind irgendwie verrückte Zeiten.
Aber Kinder und Narren sprechen ja bekanntlich die Wahrheit.
Auf diesem Hintergrund ist doch die Einbringung des Haushalts am heutigen Tag eine gute Wahl. Verrückt – ganz wörtlich betrachtet:
Man muss manchmal etwa den Standort wechseln, etwas verrücken, um einen neuen Blick auf die Dinge zu bekommen. Davon leben unsere Diskussionen, davon lebt der demokratische Austausch: Von der Bereitschaft, auch andere Perspektiven einnehmen zu können, sich in den anderen hineinversetzen zu können. Das erlebe ich in unserem Gremium so. Und dafür sage ich vielen herzlichen Dank. Und unsere Zusammenarbeit lebt von Transparenz und Offenheit. Wollen wir doch gerade auch die Finanzen offen und ehrlich betrachten, um realistische Planungen für das kommende Jahr zu präsentieren und anschließend konstruktiv diskutieren.
Man kann den 11.11 auch noch anders deuten.
An diesem Abend laufen unzählige Kinder und Familien durch die Städte und Dörfer und erinnern an den hl. Martin. Selbst Kirchenferne und Nichtgläubige können meist mit seinem Namen etwas anfangen – und das Pferd macht ihn besonders einprägsam, gerade bei Kindern. Martin von Tours steht für Solidarität. Er steht dafür, die Schwachen im Blick zu behalten. Miteinander zu Teilen und vom hohen Ross herabzusteigen. Auch das ist unsere Aufgabe als Stadt, als Gemeinderat, als politisch Verantwortliche. Die zu Verfügung stehenden Mittel gerecht zu verteilen. Solidarisch zu handeln.
Und diese Solidarität, dieser Blick aufs Ganze, muss sich auch in den Zahlen des Haushalts widerspiegeln. Und wir müssen immer wieder vom hohen Ross der Überheblichkeit herabsteigen, uns von der Überzeugung verabschieden, selbst im Besitz der Wahrheit zu sein, um jeden Preis Recht behalten zu wollen.
Ortschaftsräte, Gemeinderatsfraktionen und Verwaltung ergänzen sich und brauchen die Offenheit für die Sichtweise und Argumente der jeweils anderen. Daraus ergibt sich ein großes Ganzes.
Ein solch großes Ganzes ist auch der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr. Es ist ein Haushalt, der erneut von den Auswirkungen der Pandemie geprägt ist, von Unwägbarkeiten. Aber es ist vor allem ein Haushalt, der in die notwendige Infrastruktur investiert, ein Haushalt, der unsere Infrastruktur zukunftsfähig macht und Investitionen tätigt, von der die Bürgerinnen und Bürger die kommenden Jahrzehnte profitieren werden. Ich denke etwa an die neue Rettungswache, an Kitas und Schulen, an Trinkwasser und Abwasser. Ich werde nachher näher darauf eingehen.
Auch der vorliegende Haushaltsentwurf ist ein Werk mit sehr vielen Zahlen. Mit dem vorliegenden Entwurf haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Ämtern und Bereichen das zusammengetragen und eingebracht, was aus ihrer Sicht notwendig und sinnvoll ist. Bis der Entwurf steht, führen wir intern unzählige Gespräche und Diskussionen. Wir wägen und überlegen: Was ist zwingend erforderlich? Was können wir aufschieben? Mein ganz besonderer Dank gilt unserem Rechnungsamtsleiter Peter Müller und seinem Stellvertreter Tobias Hefter. Sie haben in enger Absprache mit Hauptamtsleiter Bruno Witt und Bauamtsleiter Jürgen Rauer mit großer Sorgfalt und enormem Engagement den Haushalt vorbereitet. So dass ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Gemeinderates, nun heute den Entwurf vorlegen kann.
Ich gebe im Folgenden einen ersten Überblick, eine Einordnung und erläutere einige – aus meiner Sicht – zentrale Themen:
Der Gesamtbetrag der ordentlichen Erträge im Teilhaushalt 1 liegt bei rund 19,5 Mio. Euro
der Gesamtbetrag der ordentlichen Aufwendungen bei 8,9 Mio. Euro
Mit dem ordentlichen Ergebnis stehen uns damit rund 10,6 Mio. Euro im Teilhaushalt 1 – Allgemeine Finanzwirtschaft - zu Verfügung.
Unsere Haupteinnahmequelle sind die Steuererträge und Abgaben. Wir rechnen mit rund 13 Mio. Euro für 2022. Das sind 66,6 Prozent unserer Einnahmen. Darin enthalten sind 3,9 Mio. Euro Einnahmen an Gewerbesteuer.
Die Einnahmen aus der Einkommensteuer werden voraussichtlich um 108.000 Euro gegenüber 2021 steigen und damit einen Wert von 5,8 Mio. Euro erreichen. Hinzu kommen rund 790.000 Euro Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer und Schlüsselzuweisungen vom Land Baden-Württemberg in Höhe von 6,5 Mio. Euro.
Doch all diesen Einnahmen stehen Ausgaben durch die verschiedenen Umlagen gegenüber: So fließen allein 400.000 Euro Gewerbesteuerumlage wieder ab, 3,7 Mio. Euro an Finanzausgleichs-umlage und schließlich gehen 4,6 Mio. an Umlage allein an den Landkreis. Das sind bei gleichbleibendem Hebesatz von 27,5 Prozent 310.000 Euro mehr als in diesem Jahr.
Steuereinnahmen und Kompensationen sind uns immer willkommen, sie bedeuten jedoch in Zukunft immer auch Abführung an den Finanzausgleich. Damit verbleibt nur ein Teil des Geldes bei uns. Alles andere sind durchlaufende Posten.
Das sind nahezu 9 Mio. Euro Umlageverpflichtungen im Jahr 2022.
Wenn wir die Ausgaben näher betrachten, so wird deutlich, dass bereits ein großer Teil durch Fixkosten geprägt ist, die nur wenig zu verhandeln sind.
Was sind die wesentlichen Kostenfaktoren? Etwa die Personal- und Versorgungsaufwendungen mit 8,7 Mio. Euro. Die größer werdende Stadt mit zunehmender Einwohnerzahl, steigenden Gewerbebetrieben und wachsenden Aufgaben, benötigt eben auch entsprechend qualifiziertes Personal.
Vor allem im Bereich Kita haben wir durch unsere neue Einrichtung am Fliederweg einen deutlichen Zuwachs an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen: Letztlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unser wichtigstes und wertvollstes Kapital – von den Reinigungskräften bis zum Bauhof, vom Forst bis zu den Kitas, von der Verwaltung bis zum Tourismus.
Was sind weitere Aufwendungen und Ausgaben: Etwa die Zuschüsse an Kitas anderer Träger mit rund 1,9 Mio Euro. Auch Mieten und Pachten schlagen mit 845.000 Euro zu Buche oder Aufwendungen für Unterhaltungsmaßnahmen an all unseren Gebäuden mit 1,1 Mio. Euro. Die Zinsen für Kredite bleiben da mit 76.000 Euro in einem überschaubaren Bereich – dank der Niedrigzinspolitik.
Der Ergebnishaushalt schließt im kommenden Haushaltsjahr 2022 mit einem Minus von 906.500 Euro ab.
Dem gesetzlichen Erfordernis nach § 89 Abs. 2 Gemeindeordnung Baden-Württemberg - dass die ordentlichen Erträge und ordentlichen Aufwendungen ausgeglichen sind - kann somit im Jahr 2022 nicht nachgekommen werden.
Die liquiden Mittel der Stadt sind nahezu aufgebraucht. Im kommenden Jahr haben wir somit eine Kreditermächtigung in Höhe von 500.000 Euro ausgewiesen. Ob diese letztendlich in Anspruch genommen werden muss, wird sich im laufenden Haushaltsjahr zeigen.
In den Jahren 2023ff sind aufgrund der anstehenden Projekte weitere Kreditaufnahmen unausweichlich.
Investitionen 2022 – an exemplarischen Projekten dargestellt
Ich habe bereits eingangs deutlich gemacht, dass ein Großteil unserer Investitionen in notwendige Infrastruktur fließt und auch künftig fließen wird, von den auch kommenden Generationen profitieren. Eines dieser Projekte haben wir im Oktober offiziell einweihen können. Unsere neue Kita am Fliederweg. Mit den 5 neuen Gruppen schaffen wir die notwendigen Plätze zur Betreuung und pädagogischen Begleitung von Kindern zwischen 1 und 6 Jahren. Gerade der Bereich der Bildung und Erziehung liegt mir sehr am Herzen. Hier werden die Grundlagen gelegt.
Hier verbringen die Kinder und Jugendlichen immer mehr Zeit – in Kitas und Schulen. Deshalb werden wir in dem kommenden Jahr auch unsere Grundschulen entsprechend in den Blick nehmen – teilweise fehlt es an Räumen, teilweise an der Digitalen Infrastruktur, teilweise bedarf es einer energetischen Sanierung. So haben wir allein für die Umsetzung des Medienentwicklungsplans 1,3 Mio. Euro im Haushaltsentwurf bereitgestellt. Und für den Auftakt zur Erweiterung und energetischen Sanierung der Grundschule Wagenstadt 700.000 Euro. Die dringend notwendige Sanierung von Toiletten an der Emil-Dörle-Schule, die wir in diesem Jahr aufgeschoben haben, wollen wir 2022 angehen und haben dafür 180.000 Euro veranschlagt.
Unser begonnenes Großprojekt Rettungswache, in der unsere Freiwillige Feuerwehr Ihre neue Unterkunft finden soll sowie der DRK Ortsverein und der Rettungsdienst mit den Krankenwägen wird uns 2022 mit rund 800.000 Euro Planungskosten zu Buche schlagen. Der Bau ist nicht nur dringend notwendig, weil der bisherige zu eng und vor allem auch in die Jahre gekommen ist.
Mit dem Umzug vom Birkenweg schaffen wir uns an der jetzigen Stelle vor allem auch Potential für eine Innenentwicklung, die dem Bedarf an Wohnraum Rechnung trägt.
An zahlreichen Stellen ist unsere Kanalisation marode. Daher gilt es, sukzessive Straßen gänzlich zu erneuern. Aktuelle ist es die Bismarckstraße, die erst im kommenden Jahr fertiggestellt werden wird, und auch in Tutschfelden und Wagenstadt sollen Straßen erneuert werden. Beide Projekte zusammen ergeben eine Summe von mehr als 500.000 Euro. In Tutschfelden soll ebenso die Umgestaltung des Friedhofs angegangen werden. Dafür sind 30.000 Euro eingestellt. Damit wir in Broggingen mit der Kanal- und Straßensanierung beginnen können, braucht es zunächst den Bau des Vorflutgrabens. Damit wollen wir im nächsten Jahr ebenso beginnen. Eine entsprechend Summe von eine dreiviertel Million Euro ist im Vermögensplan des Eigenbetriebs Abwasserbeseitigung bereitgestellt.
Ein weiteres Projekt, das wir bereits angestoßen haben und das sich bereits in der Umsetzung befindet, ist der Bau und Umbau unseres neuen Archivs in der Kanaustraße. Dafür werden es im kommenden Jahr 100.000 Euro benötigt. Diese Maßnahmen sind notwendig, damit die dort gelagerten Dokumente auch das notwendige Raumklima vorfinden. Damit schaffen wir eine zukunftsweisende Unterkunft für das „Gedächtnis unserer Stadt“, das dann barrierefrei zugänglich ist und wir schaffen am bisherigen Standort zugleich die Voraussetzungen für eine Erweiterung unserer Grundschule in der Kernstadt.
Unser gemeinsam erarbeitetes Hallen- und Sportstättenkonzept lenkt unseren Blick auf zwei Projekte, die es im kommenden Jahr anzugehen gilt: Da ist zum einen die neue Außensportanlage an der Breisgauhalle, die dem Schulsport wie auch den Vereinen zur Verfügung stehen soll. Sie ist der Ersatz für die Leichtathletikanlage des TVH, auf der ja die neue Rettungswache entsteht. Einen Förderantrag für diese Sportanlage wurde Anfang des Jahres abgelehnt. Vor wenigen Wochen haben wir den Antrag erneut gestellt. Zum anderen geht der Blick nach Bleichheim und erste Planungen für einen Ersatz der maroden Kirnburghalle. Wenn es uns gelingt, neben dem neuen Feuerwehrhaus in Bleichheim ein entsprechendes Ensemble zu planen, das auch die Ortsverwaltung und einen Proberaum für den Musikverein beherbergt, dann werden mehrere Gebäude frei, die abgerissen oder veräußert werden können.
Die Sanierung der Halle in Wagenstadt wird im kommenden Jahr beendet sein. Eine gelungene Sanierung, die sich gelohnt hat mit einem großartigen Ergebnis.
Und schließlich braucht es – gerade durch die Herausforderungen der Pandemie – unser Engagement für Familien, Kinder und Jugendliche auch außerhalb von Kita und Schule. Daher wollen wir die Außengestaltung des Jugendzentrums weiter voranbringen. Die Tore am Bolzplatz Entennest erneuern und auch den Spielplatz in der Maria-Sand-Straße komplett überplanen.
Es ist wohl der am meisten genutzte Spielplatz der Stadt, dessen Geräte in die Jahre gekommen sind und dem vor allem auch ein Bereich für Kleinkinder fehlt. Mit der Erneuerung werten wir die zentrale Innenstadt auf und unterstützen so auch unseren Einzelhandel.
Nicht zu vergessen bei den Investitionen sind finanzielle Mittel zur Umsetzung erster baulicher Maßnahmen, die sich aus unserem Mobilitätskonzept ergeben werden – dafür ist eine Summe in Höhe von 50.000 Euro eingeplant.
Und die Erschließungsmaßnahmen des neuen Gewerbeparks Nord kosten uns rund 400.000 Euro
Trotz der Einschränkungen durch die Pandemie in vielerlei Hinsicht sind die genannten Projekte aus Sicht der Verwaltung unabdingbar und nicht aus dem Blick zu verlieren. Zugleich gilt es im Blick zu behalten, dass die Abschreibungen mit jedem Neubau steigen und den haushaltsausgleich im ordentlichen Ergebnis erschweren.
Umso mehr braucht es einen inspirierenden Umgang mit klugen Finanzierungskonzepten und kreativen Fördermöglichkeiten. Und so möchte ich an dieser Stelle bei Ihnen, sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, werben für die Schaffung einer Projektstelle. Die Schaffung einer zeitlich befristeten Stelle zur Generierung von Fördermöglichkeiten. Der Alltag lehrt uns: Es fehlt in aller Regel nicht an Fördertöpfen und Förderprogrammen. Es fehlt an der notwendigen Zeit, um die Programme in Land, Bund und auf Europäischer Ebene zu finde, zu sichten, die Mittel fristgerecht zu beantragen und schließlich auch wieder abzurechnen.
Es wäre eine Stelle, die sich – bei qualifizierter Besetzung – schnell selbst finanzieren wird. Und die einmal mehr zeigen und beweisen würde, dass wir eine kreative Kommune mit einem innovativen Gemeinderat sind.
Unter den jetzt dargestellten Bedingungen könnten wir zudem den Schuldenstand von 7.731.554 Euro um 277.381 Euro auf rund 7,4 Mio. Euro senken. Sofern sich im laufenden Jahr eine Kreditaufnahme herauskristallisiert und Kredite in Anspruch genommen werden müssen, erhöht sich entsprechend der Schuldenstand um diese Kreditaufnahme.
Nun hoffe ich, dass wir den 11.11 als Auftakt unserer Haushaltsberatungen dahingehend interpretieren, dass wir selbst in verrückten Zeiten Solidarität leben, ja als Stadt solidarisch sind mit allen – gerade auch mit den Schwachen und denen, die keine eigene laute Stimme haben; solidarisch auch mit den kommenden Generationen.
In diesem Sinn wünsche ich uns in den kommenden Wochen gute Beratungen und eine zeitnahe Verabschiedung des Haushaltsplanes. Damit wir handlungsfähig bleiben und fristgerecht Fördermittel beantragen können. Ich freue mich auf die Beratungen und bin gespannt auf die Ergebnisse.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Rede zum Volkstrauertag 2021
Einbringung des Haushalts für das Jahr 2021
Rede von Bürgermeister Thomas Gedemer zur Einbringung des Haushalts für das Jahr 2021 in der Gemeinderatsitzung am 04.11.2020
Hier gelangen Sie zur gesamten Rede. (PDF-Dokument, 823,43 KB, 13.12.2021)